Unterstützung eines Referats durch „Handouts“

Unter „Handouts“ werden auf Papier gedruckte oder geschriebene zusätzliche Informationen und Materialien verstanden, die den Zuhörer/innen eines Referats „an die Hand“ gegeben werden. Hier einige Informationen zu Handouts und Thesenpapieren:

Infopapier oder Thesenpapier?

Nicht jedes Papier, das die Seminarteilnehmer in die Hand bekommen, ist ein Thesenpapier, auch wenn es so genannt wird.

Ein Thesenpapier enthält Thesen, die zur Rückfrage, zum Widerspruch provozieren sollen.

Ein Papier, das Informationen liefert, die lediglich zur Kenntnis genommen werden sollen, ist kein Thesenpapier. Hier soll dafür die Bezeichnung Infopapier gebraucht werden. Ein Infopapier kann ein Referat unterstützen, indem es Informationen gibt, deren Vortrag im Referat ermüdend wirken würde (etwa Gesetzestexte) oder die in schriftlicher Form angemessener zu präsentieren sind (zum Beispiel Zahlenmaterial, Schaubilder). Ein Infopapier kann auch ein Thesenpapier unterstützen, wenn es Informationen enthält, die zur Kenntnis genommen werden müssen, um bestimmte Thesen (zum Beispiel Schlussfolgerungen aus empirischen Daten) überhaupt diskutieren zu können.

Thesenpapier als Unterstützung eines Referats

Die Unterstützung eines Referats durch ein Thesenpapier kann sich auf zwei Dinge beziehen:

  • Es gibt dem Zuhörer eine Stütze, um dem Vortrag besser folgen zu können.
  • Es gibt Anregungen und Anstöße zur Diskussion über das Referat.

Das Thesenpapier als Stütze des Zuhörers soll die wesentlichen Aussagen des Referats in Thesenform enthalten. Das eigentliche Referat kann dann so aufgebaut sein, dass die Thesen – wie auf dem Papier formuliert – vorgetragen und jeweils – über das Papier hinaus gehend – erläutert und begründet werden. 

Eine These ist eine Behauptung. Sie soll Widerspruch oder das Verlangen nach einer Begründung provozieren. Da Thesen möglichst kurz und prägnant formuliert sein sollten (deshalb sind sie zur Strukturierung eines mündlichen Vortrags gut geeignet), bedürfen sie meist auch einer Erläuterung. Der These muss also im Referat eine Erläuterung und Begründung entsprechen. Eine These, die Sie in den Raum stellen, ohne ihr etwas folgen zu lassen, hat ihren Sinn verfehlt. Sie soll zu nachfolgenden Erörterungen überleiten und hat den Sinn, diesen eine Art Orientierungslinie mitzugeben. Eine vorausgeschickte These kann den Zuhörer zu größerer Aufmerksamkeit motivieren – vorausgesetzt natürlich, dass die These eine interessante oder provokante Behauptung enthält, also nicht banal ist. 

Wenn Sie eine These aufstellen, die nicht die Einleitung, sondern den Abschluss eines Gedankenganges markiert, so hat dies nur Sinn, wenn sie zugleich als Einleitung in eine nachfolgende Diskussion gedacht ist. Auch in diesem Falle sollten Sie etwas zur Erläuterung und Begründung zu sagen haben und sich nicht mit der Einstellung: „Nun diskutiert mal schön; ich hab mein Teil geleistet“, zurücklehnen und abtreten. Wer eine These aufstellt, muss sich auch für sie stark machen. 

Auf der anderen Seite können Sie eine These, von deren Plausibilität Sie zuerst ganz überzeugt waren, aber selbstverständlich auch ohne weiteres wieder aufgeben, wenn Ihnen Gegenargumente einleuchten. Das gehört zur wissenschaftlichen Redlichkeit. Eine wissenschaftliche Diskussion ist schließlich kein Kampf mit Siegern und Besiegten, in dem Sie versuchen müssen, unter allen Umständen die Oberhand zu bewahren.

Thesenpapier statt Referat

Wenn das Thesenpapier an die Stelle eines Referates treten soll, dann bedeutet dies zweierlei:

  • Nicht ein Vortrag, sondern Diskussion soll den Seminarverlauf maßgeblich bestimmen. (In der Regel wird dies damit zusammenhängen, dass der thematisierte Inhalt weniger in gesicherten Erkenntnissen der Wissenschaft besteht als in Problemen, über die strittige wissenschaftliche Positionen existieren.)
  • Der Aufbau des Thesenpapiers soll eine Art Leitfaden für die Diskussion bieten.

Die Struktur solcher Thesenpapiere kann unterschiedlich aussehen:

Lineare Abfolge

Die lineare Abfolge:

These, Begründung der These –
2. These, Begründung dieser These usw.

Diese Form bietet sich an, wenn Sie im wesentlichen eine bestimmte wissenschaftliche Position – das kann auch Ihre eigene sein – in Thesenform vorzutragen und in der Diskussion zu begründen gedenken.

Sie sind durch die Thesenform in diesem Falle stark auf die referierte Position festgelegt und müssen praktisch als Sprecher eines anderen auftreten, auch wenn Sie dessen Position gar nicht teilen, müssen im letyteren Falle also eine Art „Advocatus diaboli“ spielen. Wenn Sie nicht Ihre eigene Position vertreten und sich auch nicht die referierte Position zu eigen machen, geraten Sie bei dieser Form in eine schwierige Lage, da Sie natürlich die fremde Position nicht so vertreten können, wie ihr Urheber es sicher könnte, andererseits sich aber auch nicht ohne Verlust von ihr distanzieren können, da aus einer Diskussion über Thesen, hinter denen niemand steht, schnell die Luft heraus ist.

Die Kontroverse

Abfolge:

These, Begründung der These –
Gegenthese, Begründung der Gegenthese

2. These, Begründung dieser These –
2. Gegenthese, Begründung usw.

In dieser Form lassen sich gut kontroverse in der Wissenschaft vertretene Positionen zum behandelten Thema darstellen. Durch die ausgewogene Darstellung mit Pro und Contra können Sie selbst distanziert bleiben, auch wenn Sie sich eine der Positionen zu eigen machen.

Allerdings besteht bei dieser Form auch die Gefahr eines Eindrucks von Beliebigkeit: „Man kann eben alles so oder so sehen.“ Wichtig ist daher, die Positionen auch wirklich gegeneinander zu stellen und nicht nur nebeneinander. Das heißt, die Argumente zu den Thesen beziehungsweise Antithesen müssen sich wirklich aufeinander beziehen und dürfen nicht aneinander vorbeizielen.

Dialektische Entwicklung

Abfolge:

These, Begründung der These –
Gegenthese, Begründung der Gegenthese

Synthese, Begründung der Synthese –

2. These, Begründung dieser These –
2. Gegenthese, Begründung 

erneute Synthese, Begründung usw.

Diese Form unterscheidet sich von den beiden anderen durch das Entwicklungsmoment. Während in der linearen Abfolge eine Position sozusagen einsam ihre Bahn zieht (erst durch die Diskussion kommt ein soziales Moment hinein), in der Kontroverse zwei Positionen einander starr gegenüberstehen (diese Starre wird wiederum erst durch die Diskussion gelöst), stellt diese Form des Thesenpapiers eine dialektische Entwicklung dar. These und Antithese kommen in Dialog, das heißt sie verharren nicht im Gegensatz, sondern gehen aufeinander ein. Im Idealfall kommen sie – aufgrund der gegeneinander vorgebrachten Argumente – zu einer gemeinsamen Position, der Synthese. Das bedeutet nicht einfach, dass sie ihre ursprüngliche Position verlassen haben. Sondern sie haben sich so modifiziert, dass sie miteinander vereinbar werden.

In einer solchen Bewegung kann man manchmal Entwicklungen in der Theorietradition nachzeichnen: Erst wurde von X die erste Position vertreten; dann von Y die Gegenposition; schließlich wurden beide Positionen aufgehoben in der Synthese, die Z geleistet hat. Vielleicht lassen sich auch zeitgenössische Positionen in dieser Weise darstellen, dass die Schule x gegen die Schule y theoretisch zu Felde zieht, während doch die Schule z gezeigt hat, dass ihr Gegensatz ganz überflüssig ist.

Oder Sie können Ihre eigene Position als Synthese zu einer bestimmten These-Antithese-Konfrontation darstellen. Das lässt eine Position immer stark aussehen. Ob sie es wirklich ist, hängt davon ab, ob sie eine wirkliche Synthese ist oder nur ein fauler Kompromiss, ein „mittlerer Weg“ oder dergleichen.

Kompromisse und „mittlere Wege“ zeichnen sich dadurch aus, dass sie Gegensätze aufheben, indem sie das, was den Gegensatz ausmacht oder begründet, einfach ausklammern beziehungsweise zwischen zwei Extremen die goldene Mitte wählen. Das mag der Alltagspragmatik durchaus entgegenkommen, die sich Auseinandersetzungen und Schwierigkeiten ersparen will. Es dient aber absolut nicht dem Fortschritt der wissenschaftlichen Erkenntnis. Dafür dass die Wahrheit immer in der Mitte liegt, gibt es keinerlei Grund. Warum sollte sie?

Was also ist ein wirkliche Synthese?

Zunächst einmal muss der in These und Antithese formulierte Gegensatz ganz ernst genommen und darf nicht verwässert werden. Dann muss der tiefere Grund dieses Gegensatzes herausgestellt werden. Bei diesem Zurückgehen oder In-die-Tiefe-Gehen wird sich herausstellen, ob in letzter Instanz unvereinbare Grundpositionen vorliegen, die sich niemals vereinbaren lassen werden, oder ob es bestimmte Annahmen, Zwischenargumente und dergleichen sind, die aus in der Tiefe gleichen Grundpositionen Gegensätze werden lassen.

Jede Position, die das Entstehen der Gegensätzlichkeit erklären kann, steckt selbst nicht mehr in diesem Gegensatz, sondern wird zur übergreifenden Position, die beide Argumentationslinien in ihr eigenes Argumentationsgeflecht aufgenommen hat

Regeln für Thesen- und Infopapiere

  1. Verwechseln Sie nicht Infopapier und Thesenpapier!
  2. Ein Titelblatt ist überflüssig. Aber die entsprechenden Angaben (Seminar, Datum der Sitzung und Ihr Name) sollten sich am „Kopf“ des Thesenpapiers (und/oder eines Infopapiers) finden.
  3. Thesenpapiere müssen kurz und bündig sein. Mehr als 2, vielleicht noch 3 Seiten (in Abhängigkeit vom Layout) sind zuviel. Längere Erläuterungen, die man in Ruhe und konzentriert lesen müsste, sind unangebracht. Wenn es Ihnen gelänge, jede These in die Form eines einzelnen kurzen Satzes zu bringen, wäre das optimal.
  4. Auch ein Thesenpapier hat ein Thema, auf das sich die Behauptungen der Thesen beziehen. Stellen Sie die Formulierung dieses Themas Ihrem Thesenpapier voran und verfassen Sie Ihre Thesen so, dass ihr Bezug zum Thema ins Auge springt.
  5. Machen Sie es, wie Luther es angeblich gemacht hat: Nummerieren Sie Ihre Thesen durch. Das erleichtert die Orientierung und trägt zum plakativen Charakter bei, den Ihr Papier haben sollte.
  6. Ein Thesenpapier ist kein Kurzreferat oder die Kurzfassung eines Referats. Thesen stellen auch nicht einen Sachverhalt dar, den man zur Kenntnis nimmt, sondern Behauptungen auf, die zum Widerspruch, zur Nachfrage, zur Diskussion provozieren. Keine Banalitäten und auch keine sachlichen Feststellungen in Thesenform kleiden!
  7. Grundsätzlich ist bei einem Thesenpapier darauf zu achten, dass das Papier nicht alles schon vorwegnimmt, was zu diskutieren es anregen soll. Nehmen Sie sich mit Ihrem Papier nicht den (Diskussions-)Wind aus den Segeln! Wenn es zum Verständnis der Thesen nötig ist, sachliche Hintergrundinformationen zu geben, so sollte dies in einem separaten Infopapier geschehen. Auch Begründungen Ihrer Thesen sollten im Papier nur skizziert werden. Sie müssen etwas in der Hinterhand behalten.
  8. Seien Sie gut darauf vorbereitet, Ihre Thesen zu erläutern und gegebenenfalls zu verteidigen. Vielleicht sehen andere die Provokation gar nicht, die Sie im Sinne haben, und halten Ihre These für eine Trivialität. Dann sollten Sie in der Lage sein, deutlich zu machen, wieso das, was Sie in der These behaupten, nicht selbstverständliche Gültigkeit hat.