Titel, Thema und Fragestellung

Die Themenfindung zu einer wissenschaftlichen Arbeit ist erfahrungsgemäß eine der schwierigsten Herausforderungen im Studium. Das tritt besonders zu Tage bei Arbeiten, bei denen es „um viel geht“ und zugleich oft ein größerer Spielraum besteht, eigene Interessen und Perspektiven einzubringen: Prüfungs- und Abschlussarbeiten (Diplomarbeit, Magisterarbeit, Staatsexamensarbeit, BA-Thesis, MA-Thesis usw.). Aber auch bei „kleineren“ Arbeiten und selbst dann, wenn das Thema „gegeben“ wird, findet man sich mit einer oft unterschätzten Hürde konfrontiert.

Die Herausforderung lautet, ein Thema zu finden, 

  • bei dem Sie Ihre im Studium bisher schon entwickelten Stärken zum Tragen kommen lassen können;
  • das hinreichend anspruchsvoll ist, um in der Bearbeitung Ihr Wissen und Können angemessen zu demonstrieren;
  • bei dem Sie Ihren inhaltlichen Interessen nachgehen können und das Sie „weiter bringt“;
  • das umfangsmäßig hinreichend eingegrenzt ist, um in der verfügbaren Zeit effektiv von Ihnen bearbeitet werden zu können;
  • das durch eine Frage-, Problem- oder Aufgabenstellung so fokussiert ist, dass Sie bei der Bearbeitung immer wissen, was (unbedingt) „hinein gehört“ und was nicht (unbedingt);
  • für dessen Bearbeitung Sie die Zustimmung Ihres Betreuers erlangen.

Zugang zum Thema: eigene Wahl oder Auftrag?

Der Zugang zum Thema gestaltet sich natürlich unterschiedlich, je nachdem, ob Sie das Thema selbst wählen können/müssen oder man es Ihnen „gibt“.

In den Disziplinen wird dies recht unterschiedlich gehandhabt. In den geistes- und sozialwissenschaftlichen Studienfächern wird vor allem bei größeren Abschlussarbeiten häufiger die Wahl des Themas den Studierenden überlassen. Auch bei den „kleineren“ Arbeiten während des Studiums sind die Vorgaben oft relativ unbestimmt, so dass zumindest die genauere Eingrenzung und Fokussierung des Themas von Ihnen selbst vorgenommen werden muss. In natur- und ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen sind die Vorgaben meist enger und die Aufgabenstellungen präziser; selbst Abschlussarbeiten bestehen hier oft in der Abarbeitung einer ziemlich fest umrissenen Aufgabenstellung, stellen also gewissermaßen Auftragsarbeiten dar.

Welche der beiden Varianten für Sie die angenehmere ist, lässt sich gar nicht so eindeutig sagen. Können Sie das Thema selbst wählen, stellt die Themenwahl eine eigene zusätzliche Herausforderung dar, deren Mühen oft unterschätzt werden. Gerade bei besonders anspruchsvollen wissenschaftlichen Arbeiten wie Dissertationen nimmt in geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen die Phase der Themenfindung oft einen sehr großen Zeitraum ein, der dann für die eigentliche Arbeit am Thema fehlt. Da mag es manchen einfacher erscheinen, man gibt ihnen eine klare Aufgabenstellung, mit der sie sofort loslegen können. Andererseits geht man an ein selbst gewähltes Thema mit einer anderen Motivation heran; die Bearbeitung wird in höherem Maße zum eigenen Anliegen; und das kann der Qualität sehr zu Gute kommen.

Die Polarität zwischen den beiden Varianten ist aber gar nicht so eindeutig, wie sie auf den ersten Blick scheint. Auch bei einem selbst gewählten Thema müssen Sie letztlich den Erwartungen und Anforderungen der Person genügen, die Ihre Arbeit bewerten wird. Und auch bei einem „gegebenen“ Thema müssen Sie für sich noch erschließen, worin genau denn der „Auftrag“ besteht, den Sie zu erfüllen haben.

In jedem Falle ist zu klären:

  • Was genau ist denn ein mögliches bzw. das gegebene „Thema“? (Ist es mit der Benennung einer Überschrift getan?)
  • Wie fokussiere ich das Thema so, dass sowohl mir selbst bei der Bearbeitung als auch nachher dem Leser meiner Arbeit klar ist, worum genau es in ihr geht?
  • Wie grenze ich das Thema umfangsmäßig so ein, dass es in der verfügbaren Zeit realistischerweise erfolgreich von mir bearbeitet werden kann? 

Was ist überhaupt ein „Thema“?

Eine Überschrift, ein Titel ist noch kein Thema! Jedenfalls dann nicht, wenn der Titel lediglich den Gegenstand oder das Gegenstandsfeld bezeichnet, das bearbeitet werden soll.

Ein Thema gibt mehr an, nämlich:

  • unter welchem Gesichtspunkt der im Titel benannte Gegenstand behandelt werden soll.

Ein Titel, der nicht nur einen Gegenstand benennt, sondern auch die inhaltliche Behandlung des Gegenstandes andeutet, würde ein Thema formulieren. Mit dem Thema ist also der Gegenstand benannt und die inhaltliche Schwerpunktsetzung in der Behandlung des Gegenstandes umrissen. Normalerweise sollten die Titel wissenschaftlicher Arbeiten ein Thema formulieren und nicht nur einen Gegenstand benennen.

Titel oder Themenbenennung und tatsächlich zu behandelndes Thema sind nicht dasselbe. Klarheit über das Thema zu bekommen, ist etwas anderes, als ein Thema benannt oder den Titel einer Arbeit zu bekommen. Möglicherweise stellt sich während der Bearbeitungszeit heraus, dass Sie mit dem Titel völlig falsche Vorstellungen über Gegenstand und Thema Ihrer Arbeit verbunden haben, und nun müssen Sie in der Tat über ein ganz anderes Thema schreiben, als Ihnen vorschwebte. Das kann Ihrer gesamten Arbeitsplanung plötzlich die Grundlage entziehen. Um in eine solche Situation gar nicht erst zu geraten, sollten Sie sich niemals für längere Zeit damit begnügen, nur den Namen des Themas zu kennen, ohne sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob Sie damit auch die richtigen Vorstellungen über Gegenstand und inhaltliche Schwerpunktsetzung verbinden. Das bedeutet im Klartext: Niemals den Beginn der Arbeit auf die lange Bank schieben; lieber die Arbeit sofort anfangen und später zwischendurch unterbrechen, falls gerade andere Aufgaben vordringlich zu erfüllen sind. Denn nur dadurch, dass Sie beginnen, sich mit Ihrem Gegenstand zu beschäftigen, gewinnen Sie Klarheit über Ihr Thema. Und dazu gehört, dass Sie möglichst früh eine handhabbare Fokussierung Ihres Themas vornehmen.

Fokussierung des Themas

Von eminenter Bedeutung bei der Konzipierung Ihrer Arbeit ist, dass Ihnen hinreichend klar ist, was Sie eigentlich genau vorhaben. Haben Sie als Thema nur einen Begriff, so werden Sie schnell feststellen, dass Ihnen immer wieder neue Literaturtitel und andere Quellen begegnen, die darunter fallen könnten. 

Reflektieren Sie, welches Interesse Sie damit verbunden haben, als Sie dieses Thema wählten (bzw. finden Sie heraus, welches Interesse die Person, die Ihnen das Thema „gegeben“ hat, damit verbunden hat). Oft gerät Ihnen nämlich bei der Literatursuche genau dieses ursprüngliche Interesse aus dem Blick, und Sie verlieren sich in einer immer bedrohlicher erscheinenden Fülle von Quellen, die „irgendwie“ dazu gehören könnten. Um zu verhindern, dass Sie so ganz schnell den Boden unter den Füßen verlieren, müssen Sie Ihr – oft ja erstmal reichlich diffuses – Interesse so zu fassen kriegen, dass Sie zu unterscheiden vermögen, welche Quellen tatsächlich etwas dazu beitragen und welche nicht. 

Mein Vorschlag ist, dass Sie versuchen, 

  • eine Frage zu formulieren, auf die Ihre Arbeit eine Antwort geben soll;
  • oder ein Problem zu identifizieren, für das Ihre Arbeit eine Lösung anbieten soll;
  • oder sich eine Aufgabe zu stellen, die Sie mit Ihrer Arbeit erfüllen wollen.

Sie können sich dann bei jedem Literaturtitel und bei jedem Arbeitsschritt fragen, ob er etwas Nennenswertes zur Beantwortung der Frage, zur Lösung des Problems oder zur Erfüllung der Aufgabe beizutragen verspricht.

Bei vielem, was zum Titel oder zur Überschrift zu passen scheint, wird sich unter dieser Perspektive zeigen, dass es andere Aspekte des Gegenstandsbereichs thematisiert, als Sie sich vorgenommen haben. 

Zeitplanung und Umfangseingrenzung

Eine der häufigsten Fragen, die Studierende mir stellen, wenn sie als Leistungsnachweis eine Hausarbeit schreiben sollen, ist die nach dem erwünschten Umfang („wie viele Seiten“). Und tatsächlich ist es ja so, dass es an den Fachbereichen, den Instituten und bei den lehrenden Personen durchaus Erwartungen, oft sogar strikte Vorgaben gibt, wie umfangreich eine Hausarbeit zu sein hat. Und selbstverständlich besteht auch ein Zusammenhang zwischen Quantität und Qualität: Je nach Aufgabenstellung und Anspruchsniveau ist unterhalb einer gewissen Quantität keine qualitativ ausreichende Leistung möglich. Dennoch gibt es hier einen großen Spielraum: zwischen gedanklich sehr komprimierten und dichten Texten am einen, ausuferndem inhaltsarmem Geschwätz am anderen Pol. 

Sagen wir, Sie hätten eine „Hausnummer“ bekommen, wie viele Seiten in etwa der Umfang Ihrer Arbeit betragen soll (oder was immer als Quantitäts-Maß genommen wird). Dann geben wir Ihnen folgende praktische Empfehlung:

Teilen Sie zunächst die Zeit, die Ihnen insgesamt zur Verfügung steht, in folgende Abschnitte mit ungefähr folgenden Zeitanteilen ein (variieren Sie diese Grobeinteilung nach eigener Einschätzung):

  • Themenfokussierung, -strukturierung und vorläufige Gliederung (5-10%)
  • Recherche und Lektüre (30%)
  • Abfassung der Arbeit (50%)
  • Endredaktion und Finish (10-15%)

Dabei ist zu beachten, dass dies keine streng voneinander abgrenzbaren Arbeitsschritte sind, sondern Phasen, in denen die jeweils genannte Tätigkeit im Vordergrund steht. Die Recherche ist mit zumindest kursorischer Lektüre verbunden ( hierzu das 5. Kapitel), bei der Abfassung der Arbeit werden Sie immer wieder auch noch mal nachlesen, was genau in den Texten stand, auf die Sie sich beziehen; bei literaturintensiven Arbeiten finden Lesen und Schreiben sogar in ständigem Wechsel statt, so dass die Lektüre hauptsächlich in die dritte Phase fällt. Beim Abfassen der Arbeit werden Ihnen vielleicht auch Lücken auffallen, die eine erneute Recherche nötig machen. Auch können sich die Themenfokussierung und damit auch die Strukturierung und Gliederung als änderungsbedürftig erweisen. Insofern müssen Sie, was den Zeitbedarf der einzelnen Phasen und damit auch die Zeitplanung insgesamt betrifft, flexibel sein.

Dennoch sollten Sie sich für das Schreiben eine feste Zeitspanne vornehmen und keinesfalls diese Zeitspanne verringern, weil Ihnen immer wieder noch ein weiterer Titel begegnet, den Sie doch „erst noch lesen“ wollen. 

Dieses „erst noch dieses lesen und jenes lesen“, bevor es ans Schreiben geht, ist oft nichts anderes als die Flucht vor dem Schreiben; gepaart mit der Hoffnung, dass sich die Unsicherheit, ob man überhaupt schon so weit ist, dass man mit dem Schreiben anfangen kann, durch weitere Lektüre in Sicherheit verwandelt. Das geschieht in aller Regel nicht!! Vielmehr türmt sich mit wachsendem Lektüreumfang ein immer gewaltigerer Anspruchsberg vor Ihnen auf: denn das alles will ja (sonst wäre die Lektüre schließlich überflüssig) nachher verarbeitet werden.

Reservieren Sie sich also eine feste und eher großzügig bemessene Zeitspanne für das Schreiben. Und dann teilen Sie einfach die Zahl der zu schreibenden Seiten durch die Zahl der verfügbaren Tage: So viele Seiten also haben Sie pro Tag zu schreiben. Und das machen Sie dann auch, so konsequent es irgend geht! Um unvorhersehbaren Hindernissen bei der Einhaltung des Zeitplans vorzubeugen, versuchen Sie von Anfang an, immer etwas über Soll zu schreiben, so dass Sie mit der Zeit einen immer größeren Vorsprung gegenüber dem ursprünglichen Zeitplan herausholen. Sie glauben nicht, wie wohl das daraus resultierende Gefühl der Sicherheit tut.

Absprache und Abstimmung mit der Betreuerin oder dem Betreuer der Arbeit

Treffen Sie sich möglichst frühzeitig mit Ihrer Betreuerin oder Ihrem Betreuer und schaffen Sie Klarheit über die Erwartungen an Ihre Arbeit:

  • Legen sie eine vorläufige Gliederung vor, und lassen Sie sich diese „absegnen“. In aller Regel dürfte dies sogar die Voraussetzung sein, dass jemand überhaupt die Betreuung übernimmt. 
  • Zur Frage des Umfangs als Qualitätsmaß: Fragen Sie ganz vorsichtig, ob es da Vorgaben über einen Toleranzraum gibt, innerhalb dessen Ihre Arbeit sich bewegen sollte.
  • Wie soll oder darf das Verhältnis von eher reproduzierenden Anteilen der Arbeit zu den produktiv-schöpferischen Anteilen sein. Manche Arbeitsaufträge bestehen fast ausschließlich in Beschreibung, Wiedergabe, Referierung; auch das muss ja gekonnt und entsprechend geübt werden: Wie stellen Sie das Material über das Gegenstandsfeld, etwa Befunde empirischer Untersuchungen, historische „Tatsachen“ oder die Position eines Autors zu einem Thema, so dar, dass die Anforderung der Überprüfbarkeit erfüllt wird? Andere Arbeitsaufträge verlangen, dass Sie selbst schon mit dem Material wissenschaftlich „arbeiten“, also eine darauf bezogene Frage einer nachvollziehbaren Antwort oder ein Problem einer überzeugenden Lösung zuführen. 
  • Ist es erlaubt oder gewünscht, dass zusätzlich die „eigene Meinung“ eingebracht wird? Diese Frage ist legitim und sollte gestellt werden, solange Sie nicht die grundgesetzlich garantierte Freiheit der Meinung mit der ebenfalls grundgesetzlich garantierten Freiheit der Wissenschaft verwechseln. Im Alltagsleben haben Sie das Recht, Ihre Meinung frei zu äußern, ohne sie begründen zu müssen. In der Wissenschaft ist jede Meinung so zu begründen, dass für andere nachvollziehbar ist, auf welchen Tatsachenannahmen sie beruht und durch welche Argumente ihre Bildung gestützt ist. (Das Hochschulrahmengesetz kennt über die grundgesetzlich garantierte Wissenschaftsfreiheit hinaus auch eine Studienfreiheit, die u.a. darin besteht, sich seine eigene „wissenschaftliche Meinung“ zu bilden. Hier ist das Adjektiv „wissenschaftlich“ dringend zu beachten!)
  • Welche Literatur (bzw. sonstigen Quellen) ist (sind) unbedingt zu berücksichtigen? Das kann sich auf den Umfang (sprich: die Zahl der Titel) der zu berücksichtigenden Literatur beziehen oder auch auf bestimmte für Ihr Thema unverzichtbare Titel.
  • Welche Erwartungen bestehen bezüglich der Frequenz bzw. Intensität der Betreuung? Auf beiden Seiten ist hier das Spektrum der Erwartungshaltungen äußerst breit. Es gibt Studierende, die am liebsten jede Woche zu ihrem Zwischenstand eine Rückmeldung haben möchten; und es gibt Studierende, die sich durch Rückmeldungen zwischendurch nicht verunsichern lassen wollen und „ihr Ding“ durchziehen, abgeben und dann halt hinnehmen (müssen), wie das Urteil ausfällt. Auf der anderen Seite gibt es Betreuer, die eher auf dem Standpunkt stehen, dass zur Leistung auch die Eigenständigkeit gehört, keine absichernde und stützende Rückmeldung während des Schreibprozesses zu benötigen; und es gibt Betreuer, die sich wundern, wenn ihre Betreuung nicht in Anspruch genommen wird, und das eher als einem Studierenden nicht zustehende Eigenmächtigkeit interpretieren. Vermeiden Sie, dass solche unterschiedlichen Vorstellungen zu unnötigen Missverständnissen oder Spannungen führen. Schließlich können auch äußere Umstände wie die Belastung des Betreuers oder schwierige Terminfindung eine Rolle spielen.
  • An vielen Instituten und Fachbereichen existieren Regelwerke für die Abfassung wissenschaftlicher Hausarbeiten. Die zu ignorieren und womöglich gar zu zeigen, dass man sie nicht zur Kenntnis genommen hat, wäre ganz schlecht. Grundsätzlich hat deren Beachtung für Sie Vorrang vor dem, was wir Ihnen hier auf dieser Website raten. Solche Vorgaben können die erwünschte Formatierung des Textes betreffen; wie das Titelblatt zu gestalten ist und welche Angaben es enthalten muss; nach welchen Konventionen Literatur zu zitieren und bibliografische Angaben zu machen sind, usw. Es mag sein, dass einige der dort gemachten Vorschriften Ihnen nicht ganz sinnvoll erscheinen. Dann sprechen Sie das gegenüber Ihrem Betreuer an und fragen Sie, wieweit er Abweichungen für zulässig hält.
  • Schließlich ist die Bearbeitungsfrist zu klären, sofern diese nicht durch formale Vorgaben der Studien- und Prüfungsordnungen ohnehin fest steht.